Lernen fürs Leben: Mein Sommer in Afrika

Eigentlich befinde ich mich gerade mitten in meinem Masterstudium der Industrielogistik. Dieser ist wahrscheinlich mein vorletzter Sommer, bevor es ins fixe Arbeitsleben geht. Der perfekte Zeitpunkt, um nochmal praxisrelevante Arbeitserfahrung im Logistikbereich zu sammeln, ODER einfach etwas ganz anderes zu machen. So wie ich – als Freiwillige in einer Schule in Ghana. Wie es dazu kam, was ich dabei erlebt habe und welche wichtigen Learnings ich aus meiner Erfahrung (privat und beruflich) ziehen konnte, erfahrt ihr hier in meinem heutigen Blog.

 

Meine Beweggründe waren simpel: Ich möchte etwas ganz anderes machen. Ein fremdes Land, mit fremden Sitten. Ein Abenteuer, welches mich aus meiner Komfortzone zwingt und mir eine andere Kultur und Arbeitsweise näher bringt.

Der Wunsch nach Afrika zu reisen, den gab es schon lange. Deshalb hatte ich bereits vor 2 Jahren die Chance ergriffen, um ein Praktikum über IAESTE in Nigeria zu ergattern. Wie bei vielen, hat mir jedoch Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Reise 2020 verwehrt. Aber kein Schaden ohne Nutzen, denn heuer, zwei Jahre später sollte sich eine vermeintlich noch bessere Möglichkeit ergeben: Entwicklungsarbeit in einer ghanaischen Schule leisten.

Wie ich dazu gekommen bin…

Ein bekanntes Zitat besagt: „Erfolg ist eine unberechenbare Mischung aus Talent, Glück und Arbeit“, wobei in meinem Fall sicher das Glück die größte Rolle gespielt hat, um diese Chance zu bekommen. Im Zuge meiner Bachelorarbeit, die ich bei einem Unternehmen verfasst habe, war es meine Betreuerin von Firmenseite, die mir zufällig die Kontaktdaten der Spendenorganisation weitergeleitet hatte. Ein Email später gab es dann auch schon das erste Kennenlerngespräch. Und drei Monate später stand fest: Ich darf für die Organisation nach Ghana reisen. Fünf Wochen in den Schulalltag eintauchen, unterrichten und berichten.

Was ich erlebt habe…

Ich hatte bereits damit gerechnet, dass alles hier anders laufen würde. Der Kulturschock war aber trotzdem immens. Es gibt beispielsweise keine fixen Buszeiten, denn es wird losgefahren, wenn der Bus voll ist. So kann es schon mal passieren, dass man 2 Stunden wartet, bevor die humplige Fahrt über schlecht präparierte Straßen überhaupt erst beginnt. Oder das fettige und scharfe Essen, welches mit den Fingern verzehrt wird (und definitiv nicht jedermanns Geschmack ist). Wenig bis gar keine privaten (aber auch öffentliche) Toiletten, überall Müll und abends kleine Feuer, wo dieser dann verbrannt wird, da sich die meistens Menschen die Gebühren für die Müllabfuhr nicht leisten können. Permanente laute Zurufe und ab und zu spontane Heiratsanträge auf den Straßen. Die Frage nach Geld oder einem Schlafplatz und die kleinen Kinder, die fasziniert meine hellen Hände angreifen und mich umarmen.

Der Schulalltag war zudem ziemlich fordernd. 5 Klassen in einem großen Raum mit Löchern im Dach, der mehr einer Garage ähnelte, als einem „Zimmer“ wie wir es kennen. Mitten im Slum habe ich mich für 5 Wochen wiedergefunden, so wie es sich die meisten wahrscheinlich sogar vorstellen. Schwüles Klima, Gestank und Dreck als ständiger Alltagsbegleiter. Lediglich die Lehrer verfügen über Schulbücher, da der Staat diese nicht finanzieren will und die Eltern es nicht können. So heißt es also improvisieren und das Beste aus einem Whiteboard (und auch einem Schwamm für alle Klassen) zu machen. Nicht selten ist es notwendig Dinge mehrfach und in verschiedensten Arten zu erklären, um sicherzustellen, dass die Kinder wirklich verstanden haben, was man meint. Wenn man sie aber erstmal dazu gebracht hat, ruhig zu sitzen, nicht auf ihren dreckigen Stiften zu kauen und aktiv mitzumachen, dann hatten wir richtig viel Spaß miteinander.  Am meisten haben sie sich aber sicher über die Pausen und die UNO-Karten gefreut, die ich ihnen mitgebracht habe.

Neben dem Unterrichten habe ich meine Freizeit vor allem versucht möglichst viel von Ghana zu sehen und zu erkunden. Vor allem die deutsche Freiwilligen-Community ist extrem stark vertreten, weswegen ich sofort fürs erste Wochenende eine Runde aus Freiwilligen und deren einheimischen Freunde gefunden habe für den ersten Ausflug in den Norden. Faszinierend an dem Land ist dabei sicher die variantenreiche Natur, wie zum Beispiel auch die riesigen Wasserfälle, die wir uns angeschaut haben. Am Vortag hatte es zwar geregnet, was auch an der schlammigen Farbe des Wassers zu sehen war. Aber das hielt mich bei der Hitze nicht auf mit einer Horde an Einheimischen mittendrin, statt nur davor zu stehen.

Kulinarisch hieß es meistens „scharf, fettig und in Plastik verpackt“. So kann es einem auch durchaus passieren, dass man sein 7Up aus der Glasflasche in eine Plastiksackerl umgefüllt bekommt und dieses wiederum in einem weiteren Plastiksackerl (als Verpackung versteht sich) in die Hand gedrückt bekommt. Auch Wasser wird hier meist in sogenannten „Saschis“, also 0.5 L Plastiksäckchen verzehrt, die man an der Ecke mit dem Mund aufreißt. Meiner Bitte, zumindest 1 von 2 Sackerl wegzulassen folgte deshalb meist ein verwirrter Blick...

Gekauft habe ich mein Essen meist auf der Straße, denn reguläre Supermärkte sind sehr dünn gesät. Und jede Person, die etwas verkaufen möchte, verkauft das auch einfach, und zwar zu dem Preis, den sie für angemessen findet. Egal ob am Straßenrand, oder oft in einem Behälter auf dem Kopf, teilweise sogar bei roten Ampeln auf den großen Hauptstraßen. Es gibt also die Möglichkeit bei (fast) jeder Tageszeit Essen und frittierte Snacks auf der Straße zu kaufen. Ein sehr verlockendes Angebot. Vor allem bei den frischen Bofrots, den ghanaischen Donuts, denen ich nur selten widerstehen konnte.

Woran ich besonders viel Gefallen gefunden habe sind die schönen bunten Stoffe und Gewänder in denen die Frauen (und auch viele Männer) herumlaufen. Da habe ich gleich ausnutzen müssen, dass wir eine Schneiderin in der Schule haben. Der durfte ich dann beim Anfertigen meiner kleinen persönlichen Kollektion sogar unter die Arme – und das ging ordentlich auf die Armmuskulatur mit einer manuellen Nähmaschine… Das Resultat konnte sich aber definitiv sehen lassen und im afrikanischen Look samt geflochtener Haare hat das lokale „Club“-Bier gleich noch besser geschmeckt.

Ein weiteres Highlight war sicher auch mein Hotel. In der ersten Woche hätte ich diesem Satz wohl nicht zugestimmt, da ich zu diesem Zeitpunkt einige Kakerlaken als Mitbewohner beseitigen musste… Doch nach dem Wechseln in ein anderes Zimmer und meiner Anschaffung einer kleinen Elektroherdplatte konnte ich meine selbstgemachten Bananen-Walnusscreme-Pancakes zum Frühstück dann richtig genießen. Und das Ganze noch dazu mit Ausblick aufs Meer.

Speziell im Umgang mit den Kolleg*innen in der Schule wurde mir klar, wie kulturelle Unterschiede und Normen den Arbeitsalltag maßgeblich beeinflussen und auch ab und zu erschweren können. Das „Timing“ der Busse spiegelt sich z.B. auch im Zeitverständnis der Menschen nieder. So kann es schon mal passieren, dass einfach jemand zu spät oder gar nicht auftaucht, obwohl die Schule pünktlich beginnen sollte (und das ganz ohne Entschuldigung oder schlechtes Gewissen). Da hieß es dann für mich „Ruhe bewahren“ und … gleich mal eine Uhr kaufen, damit das Problem zumindest mal klar und deutlich sichtbar wird. Und siehe da, das Ganze hat sich sogar ein bisschen gebessert und ich konnte einen kleinen Erfolg feiern.

Ein weiterer Punkt, den ich sehr wertgeschätzt habe, ist der starke Zusammenhalt in der Familie und die Hilfsbereitschaft, die sie sich gegenseitig, aber vor allem auch mir gegenüber gebracht haben. Die gegenseitige Unterstützung ist sicher auch deshalb so stark verankert, da viele Familien am Existenzminimum leben und versuchen gemeinsam das Beste daraus zu machen. Mit 18 Jahren von zu Hause ausziehen und studieren gehen, das gibt es nur selten, denn die wenigstens können sich die Studiengebühren, geschweige denn ein eigenes Zimmer wo anders leisten und auch für Freizeitaktivitäten oder Reisen bleibt selten Geld übrig.

Was ich mitnehmen konnte…

Der wohl größte Benefit den ich mitnehmen konnte, ist wohl Dankbarkeit und Lebensfreude. Dankbarkeit für mein Leben, dass ich und wir in Österreich leben dürfen. Ein Schicksal, dass wir uns alle nicht aussuchen können und ich deshalb jetzt umso mehr wertschätzen kann. Egal ob Trinkwasser, saubere Luft oder ein funktionierendes Gesundheitssystem – Faktoren, die für uns selbstverständlich sind und die einem erst bewusst werden, wenn das alles einmal nicht gegeben ist. Und die Lebensfreude, die die Menschen hier ausstrahlen, auch wenn sie so viel weniger an materiellen Sachen und so viel mehr an finanziellen Problemen haben.

Die Bandbreite der Eindrücke war also riesig und somit jeder Tag ein neues Erlebnis. Auch wenn ich vielleicht fachlich nicht allzu viel Neues dazulernen konnte, so habe ich mich sicher auf einer persönlichen Ebene weiterentwickelt und konnte mit einem Schmunzeln und vielen neuen Geschichten im Gepäck wieder nach Hause fliegen.

An dieser Stelle kann ich auch nur jedem von euch raten: Nutze auch du die Gelegenheit mal eine Erfahrung wie diese zu machen. Gerade als Student*in ist es super, einfach in den Sommerferien mal weiter weg zu reisen und in eine ganz andere Welt voll neuer Erfahrungen einzutauchen.

Und egal wie es wird: Du wirst es sicher nicht bereuen 😉

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