Die Hauptverantwortlichen des Projekts sind Professor Raúl Bermejo, Leiter des Lehrstuhls für Struktur und -Funktionskeramik, sowie Dr. Abdullah Jabr, der als Postdoc und „Key Researcher“ des Projektes tätig ist.
Keramiken sind ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Technologien – mit vielfältigen Einsatzbereichen von der Bauinfrastruktur bis hin zu Hochleistungsanwendungen in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Elektronik. Ein zentraler Schritt in der Herstellung keramischer Materialien und Bauteile ist das Sintern. Dabei handelt es sich um einen Prozess, bei dem feste, dichte und strukturell stabile Materialien unter hohen Temperaturen (oft weit über 1000 Grad Celsius) verdichtet werden. Trotz der Wirksamkeit bringt diese Methode erhebliche Herausforderungen mit sich. Dazu zählen ein hoher Energieverbrauch mit entsprechender Umweltbelastung und eine begrenzte Kontrolle über die Mikrostruktur (z. B. Kornwachstum) sowie unerwünschte chemische Reaktionen zwischen unterschiedlichen Materialphasen. Diese Herausforderungen beim Sintern erschweren auch die Entwicklung fortschrittlicher, multifunktionaler Werkstoffe, wie etwa Keramik-Metall-Polymer-Verbundsysteme.
Die Alternative: Cold Sintering Process (CSP)
An dieser Stelle setzt der Cold Sintering Process (CSP) an – ein innovatives Niedertemperatur-Sinterverfahren, das die Verdichtung keramischer Materialien bei bisher unerreicht niedrigen Temperaturen unter 350 Grad Celsius ermöglicht. Dies gelingt durch den Zusatz einer chemisch aktiven Flüssigphase sowie durch Druckanwendung während des Sinterprozesses. Seit seiner Einführung im Jahr 2016 wurde CSP erfolgreich auf eine wachsende Zahl keramischer Materialien und Verbundwerkstoffe angewendet.
Herausforderungen des Kaltsinterns
Dennoch zeigen Studien, dass kalt gesinterte Keramiken mitunter mechanische und elektrische Eigenschaften aufweisen, die den konventionell hochtemperaturgesinterten Materialien unterlegen sind. Diese Schwächen werden häufig mit ultrafeinen Kornstrukturen – bedingt durch den Einsatz von Nanopulvern – und mit suboptimalen Korngrenzeneigenschaften in Verbindung gebracht. Auch das Verhalten und die Eigenschaften heterogener Grenzflächen (z. B. Metall/Keramik und Polymer/Keramik), die durch CSP entstehen, werden bisher nur unzureichend verstanden.
Ziel des Projektes
Das Ziel des Projekts ist es, das grundlegende Verständnis der Mikrostrukturbildung, der Korngrenzencharakteristika sowie der Grenzflächenphänomene in kalt gesinterten Materialien entscheidend zu erweitern. Durch die Kombination von Expertise in der keramischen Werkstoffverarbeitung und mechanischen Charakterisierung sowie durch enge Zusammenarbeit mit internationalen Partnern kommen modernste Analyseverfahren zum Einsatz. Dazu zählen beispielsweise Elektronenmikroskopiemit atomarer Auflösung und zerstörungsfreie optische Kohärenztomografie sowie fortschrittliche elektrische und strukturelle Charakterisierungsmethoden.
Ergebnisse des Projekts
Die Ergebnisse dieser interdisziplinären Forschungsarbeit sollen nicht nur das Verständnis von CSP vertiefen, sondern auch dessen Potenzial als nachhaltige Alternative für Hochleistungsanwendungen aufzeigen. Damit wird der Weg geebnet für die Entwicklung energieeffizienter, skalierbarer Herstellungsverfahren – mit dem Ziel, keramische Elektronikkomponenten der nächsten Generation und darüber hinaus zu realisieren.
Kontakt
Univ. Prof. Dr. Raúl Bermejo
Lehrstuhl für Struktur- und Funktionskeramik
Montanuniversität Leoben
Tel: +43 (0) 3842 - 402 4100
Mobil: +43 650 - 803 7850
E-mail: raul.bermejo(at)unileoben.ac.at
Dipl.-Ing. Dr.mont. Abdullah Jabr
Lehrstuhl für Struktur- und Funktionskeramik
Montanuniversität Leoben
Tel.: +43 3842 402 – 4104
E-Mail: abdullah.jabr(at)unileoben.ac.at