Es sind einige sehr spezielle Fragen, mit denen sich Forschende der TU Graz im Zuge des im Oktober 2013 von der EU gestarteten „Human Brain Project“ (HBP) auseinandersetzen: Kann die Arbeitsweise von neuronalen Schaltkreisen im Gehirn auf elektronische Schaltkreise übertragen werden? Ist es sogar möglich, technischen Bauteilen kreatives Problem-Lösen beizubringen?
Kreative Bauteile: Ja und nochmals ja!
Ja, sagt Wolfgang Maass, Leiter des Instituts für Grundlagen der Informationsverarbeitung der TU Graz. Mit seinem Team leitet er das Arbeitspaket „Brain Computing Principles“ des HBP und nimmt damit eine zentrale Rolle in dem Netzwerk aus 140 Projektpartnern in 20 Ländern ein. „Ja“, wiederholt Maass, „denn wir können uns einiges vom menschlichen Gehirn abschauen und die Erkenntnisse auch technisch einsetzen.“ Beispielsweise wenn es um das „Rauschen“ geht – zufällig entstehende Signale, die unvermeidbar sind, wenn die fortschreitende Miniaturisierung von elektronischen Bausteinen in Größenbereiche vordringt, die jenen von Molekülen entsprechen. Diese zufälligen Signale sind im Gehirn dafür verantwortlich, dass es dem Menschen schwer fällt, Denkvorgänge oder Bewegungen immer wieder exakt zu reproduzieren. Eine Schwäche, die allerdings auch eine Stärke sein kann: Auf diese Weise findet der Mensch immer wieder neue Ansätze und Wege zu Lösungen.
Abkupfern vom menschlichen Gehirn
Namhafte Smartphone-Hersteller drängen bereits auf detaillierte Ergebnisse. Denn bisherige Computerchips können Programme zwar unendlich oft exakt abspulen – sie sind aber nicht in der Lage, neue Erkenntnisse zu entwickeln. „Wenn wir nun das Rauschen auch in elektronischen Schaltkreisen nützen können, nähern wir uns der Arbeitsweise der Schaltkreise von Neuronen im Gehirn“, erklärt Maass.
Gehirn ist Energiesparmeister
Ein Vorbild für die Entwickler von Chips kann das Gehirn auch in Sachen Energieeffizienz sein. Gerade dieser Bereich ist für Hersteller von Smartphones besonders wichtig, zählt doch die „Akkureichweite“ bei den Konsumenten zu den wichtigsten Entscheidungsfaktoren beim Kauf eines Mobiltelefons. Deshalb konzentrieren sich die Grazer Forscher auf die Entwicklung von „spike-based neuromorphic hardware“: Im Gehirn werden Neuronen nur dann aktiv, wenn es tatsächlich etwas zu tun gibt. Nur dann wird ein „spike“, also ein kurzer elektrischer Impuls, ausgeschickt. Im Gegensatz dazu werden in einem Chip sämtliche Schaltstellen regelmäßig abgefragt. Oft werden dann aber nur „Leermeldungen“ abgeben und transportiert – was unnötigerweise wertvolle Energie verbraucht.
Diese neuen Ansätze der HBP Forschungsgruppe an der TU Graz wurden in diesem Monat in der <link http: ieeexplore.ieee.org xpl _blank>Fachpublikation „Proceedings of the IEEE“ veröffentlicht: W. Maass. Noise as a resource for computation and learning in networks of spiking neurons. Proceedings of the IEEE, 102(5):860-880, 2014.
Rückfragen:
O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.rer.nat. Wolfgang Maass
Institut für Grundlagen der Informationsverarbeitung
Technische Universität Graz
Mobil: +43 (0) 699 88453149
E-Mail: maass@igi.tugraz.at